Projektteams werden nicht nur immer agiler, sondern auch immer virtueller. Wo früher das Ziel in Deutschland für jeden Mitarbeiter „Festanstellung bis zur Rente” hieß, hat sich die Arbeitswelt, auch durch ihre Internationalisierung, stark verändert. Ein klassisches Team operiert aus verschiedenen Ländern, setzt sich aus Mitarbeitern zusammen, die ihre Gehälter nicht immer von der gleichen Firma beziehen, und doch werden Führungskräfte und Mitarbeiter letztlich immer noch daran gemessen, wie sie die ihnen gesetzten Ziele erreichen. Ob die Ressourcen, die ihnen dafür zu Verfügung stehen, intern oder extern, im Land oder international tätig sind, ist letztlich für ihre Beurteilung irrelevant.
Die Arbeitswelt hat sich stark verändert
Führungskräfte sehen sich also in der heutigen Welt einer höheren Komplexität beim Führen von Mitarbeitern ausgesetzt, als es noch vor 20 Jahren der Fall war. Nicht nur führen sie über Länder (und somit auch über kulturelle Unterschiede) hinweg, sondern auch über organisationalen Einheiten hinaus. Und sie haben neben ihren Mitarbeitern auch Berater, Selbständige, Outgesourcte Funktionen zu führen. Diese losen Führungsbeziehungen ermöglichen es den Firmen ihre Personalkosten flexibler zu organisieren. Dabei wird aber die Führungsaufgabe gerne stiefmütterlich betrachtet.
Die sich im Einsatz befindlichen HR-Methoden gehen weiterhin von einer klassischen Linienfunktion aus. Von der Auswahl bis zur Beurteilung der Mitarbeiter, alle Prozesse richten sich nach klaren Prozessen, die mit unterschiedlichen Personalinstrumenten unterstützt werden. Die Führungskraft identifiziert den Bedarf, die Anforderungen an einer Position, trifft die Auswahl, stellt das Budget zur Verfügung, gibt die Ziele vor, führt regelmäßige Beurteilungsgespräche durch.
Führen ohne disziplinarische Verantwortung
Dies allerdings nur bei ihren Linienmitarbeitern. Bei allen anderen Personen in ihrem inhaltlichen Verantwortungsbereich finden diese klassischen Führungsaufgaben nicht statt und stellt Manager vor andere Herausforderungen (siehe auch Tabelle). Nach dem Motto: „nicht meine „Linien“-Verantwortung“ werden Best-Practice Ansätze nicht umgesetzt.
Dies teilweise mit verheerenden Resultaten. Zwar werden üblicherweise Prozesse, die außerhalb der Kernkompetenz sind, outgesourct. Somit wird diesen Prozessen auch weniger Aufmerksamkeit gewidmet. Jedoch hat sich diese Strategie für einige Firmen schon als Fehlentscheidung dargestellt. Beispielsweise in einem großen Produktionsunternehmen als in der Debitorenbuchhaltung nichts mehr ging und die Produktion stillzustehen drohte, weil wichtige Materialien nicht mehr nachgeliefert wurden.
Personengruppe | Herausforderungen | Empfehlungen |
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Outgesourcte | Fremde Kultur |
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Beratungsunternehmen | Andere Personalpolitik |
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Freelancer | Hohe Unabhängigkeit, wenn |
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Projektmitarbeiter | Meist gleiche Personalpolitik, aber |
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Führen von Projektmitarbeitern, ohne Linienverantwortung
Nach einer Studie der Firma Cardea trägt die Leistung der Berater zu 65% zum Erfolg von Projekten bei, aber kontrolliert werden die Resultate des Beratereinsatzes selten. Dies erstaunt nicht, da in seltensten Fällen eine Kontrolle der externen Projektmitarbeiter stattfindet. Der Einkauf unterstützt die Linienfunktion lediglich, um die Vertragskonditionen festzumachen. Des Weiteren wissen interne Projektmitarbeiter nicht, wie ihre Zusammenarbeit mit den Beratern sich auf die Karriere oder Bonuszahlungen auswirken wird.
Obwohl internationale Konzerne und mittelständische Unternehmen Erfahrung im Umgang mit Beratern mitbringen, ist es doch erstaunlich, wie wenig hier personalpolitisch eingegriffen wird. Berater werden meist basierend auf ihre Expertise, ihren Ansatz und ihre Preise ausgesucht. Einzelne Unternehmen beurteilen die Leistung der Unternehmensberatung systematisch, teilweise auch die von freien Mitarbeitern. Die Überwachung obliegt entsprechend dem Einkauf und nicht dem Manager.

Governance von outgesourcten Teams
Mit dem Führen eines Outsourcingteams wird unterschiedlich umgegangen. Mehrheitlich wird die Beziehung zwischen den Partnern rechtlich definiert. Mit klaren Service Level Agreements (SLA) legen Firmen ihre Qualitätserwartungen fest.
Am Anfang werden die Kollegen in Rumänien, Indien oder den Philippinen einmal besucht, um diese kennenzulernen. Mit regelmäßigen Telefon- und Videokonferenzen, e-Mails oder Instant Messages wird dann der Kontakt gehalten.
In diesen werden Qualitätsprobleme ausführlich diskutiert und Verbesserungsmöglichkeiten identifiziert. In diesem virtuellen Umfeld kann sich eine persönliche Beziehung bilden, die auch aktive Führung möglich macht. Sprachliche und kulturelle Stolperfallen gibt es in dieser Welt aber natürlich viele, was die Zusammenarbeit erschwert.
Eine immer stärkere Tendenz findet sich in der kulturellen Durchmischung der Teams, um dieses Problem zu umgehen. Die Outsourcingfirmen versuchen europäische oder amerikanische Manager als Ansprechpartner zu platzieren. Diese übernehmen durch ihre Firmennähe und ihren täglichen Umgang mit der fremden Kultur eine Vermittlerrolle zwischen beiden Welten.
Für eine zeitgemäße Personal- und Leadership-Politik
Zusammengefasst kann nur festgestellt werden, dass Personaler erst jetzt das Thema der Virtualität für sich entdeckt haben. Die Welt der Führungskräfte hat sich aber in den letzten Jahren drastisch verändern, so dass die Personalpolitik nur einen Teil des geführten Teams abdeckt.
Dieses Thema sollte deshalb dreistufig angegangen werden:
Strategisch
Bei outgesourcten oder Beratertätigkeiten sollte immer hinterfragt werden, welches Wissen intern bleiben sollte. Welche Rollen sind für die Firma kritisch und verlangen eine engere Einbeziehung in die Organisation? Personen, die die Zielsetzungen der Firma maßgeblich beeinflussen, sollten eng mit den eigenen Führungskräften arbeiten. Diese zeigt sich durch die Übergabe von finanzieller Budgetverantwortung, geographische Nähe oder kulturelle Verständigung.
Taktisch
Durch Mitarbeiterbeurteilungskriterien wie interkulturelles Verständnis oder Governance der externen Teammitglieder sollte den neuen Gegebenheiten mehr Gewicht gegeben werden. Auch sollten HR-Abteilungen darüber nachdenken, ob sie Führungskräfte mit entsprechend vereinfachten Personal-Tools für nicht weisungsgebundenes Personal unterstützen sollten: worauf achte ich bei externen Beratern, Kontaktpersonen beim Outsourcingunternehmen? Wie kann die Leistung der Bezugspersonen regelmäßig in die Governance einfließen? Hier kann HR wichtige Impulse liefern.
Operativ
Persönliche Interaktionen sollten trotz Kostendruck und Reiseverbote gefördert werden. Ein Feingefühl für die fremde Kultur wächst im persönlichen Erleben. In der gewohnten Umgebung werden inoffizielle Hierarchien und Normen viel besser wahrgenommen als über e-Mails und Telefonate. Um die Stärken und Schwächen der Mitarbeiter umfassend beurteilen zu können, sollten Führungskräfte angehalten werden, lokale Kollegen zu befragen, um Sprachprobleme und kulturelle Unterschiede besser einzuschätzen zu können.
Case Study Virtuelle Teams
1995
Manfred Schmidt hat gerade die Leitung eines IT-Teams in einem deutschen Großunternehmen übernommen. Er ist nun für 50 Mitarbeiter, alle in Frankfurt ansässig, zuständig. Er führt Mitarbeitergespräche durch, entscheidet über Gehälter und Weiterbildungsmaßnahmen und stellt bei Bedarf neue Mitarbeiter ein. Will er seine Mitarbeiter sprechen, ruft er sie an oder bestellt eine Besprechung ein.
2020
Um 07:00 Morgens telefoniert Manfred Schmidt noch von zuhause aus bereits mit Indien. Mit 4 ½ Stunden Zeitverschiebung ist es dort fast Mittag. Die outgesourcte Einheit hat ihn gestern darüber informiert, dass einer der Schlüsselfiguren im Team ab nächste Woche nicht mehr zur Verfügung steht. Mit dem lokalen Projektleiter versucht er einen der erfahrensten Mitarbeiter zu motivieren länger zu bleiben. Viel kann er jedoch nicht erreichen. Die Entscheidung ist schon lange gefällt worden, der neue Job ist lukrativer und die neue Position hierarchisch bessergestellt.
Nach einem kurzen Frühstück fährt Manfred ins Büro. Seine aktuelle Sekretärin, über eine Zeitfirma gebucht, um den Mutterschutz seiner Mitarbeiterin zu überbrücken, begrüßt ihn freundlich und bespricht mit ihm seinen heutigen Tag. Neben einem MbO-Mitarbeitergespräch mit einer seiner letzten internen Mitarbeiterinnen muss er mit dem Projektteam in Dubai telefonieren, um verschiedene Probleme zu lösen.
Nach langem Hin und Her konnten für das lokale Standardisierungsprojekt fünf neue Projektmitarbeiter aus anderen Abteilungen identifiziert werden. Nur stehen diese statt der versprochenen drei Tage nur einen Tag pro Woche vor Ort zur Verfügung. Hier erreicht er bei den Linienvorgesetzten zumindest einen Teilerfolg: diese werden sich alle zwei Wochen drei Tage mit dem Projektteam zusammensetzen. Dazwischen findet die Kommunikation über Telefon und e-Mail statt - bevorzugter weise an den Arbeitstagen Montag bis Mittwoch (Donnerstag und Freitag sind islamische Ruhetage, Samstag und Sonntag christliche).
Anschließend spricht er mit dem Projektleiter. Nach zwei Jahren ohne Urlaub ist dieser ausgebrannt und gemeinsam versuchen sie seinen Ausstieg zu planen. Da der Projektleiter selbständiger Berater ist, ist Schmidt sehr auf dessen Entgegenkommen angewiesen. Der Projektleiter zeigt sich aber sehr professionell und Manfred Schmidt ist erleichtert, als er ihn noch überzeugen kann, mindestens zwei Monate zu bleiben. Bis dahin wird er einen Ersatz für ihn gefunden haben. Er wird dazu das Beratungsunternehmen, das die IT-Ressourcen im Projekt bereitstellt, ansprechen.